Der menschliche Pilot zwischen zwei Autopiloten VI

Die Passivitätsstufen 1 bis 4 gehören heute zum Alltag und leider auch oft zum wissenschaftlichen Denken. Um zu zeigen, was eigentlich die Aktivitätsstufen bedeuten könnten, will ich jede Aktivitätsstufe der entsprechenden Passivitätsstufe gegenüberstellen.

Wir haben heute häufig, ohne es zu realisieren, das normale naive Gegenstandsbewusstsein mit der Aktivität 0 durch die Passivitätsstufen -1 bis -4 ersetzt. Je negativer die Passivitätsstufe ist, in der wir uns befinden, umso schwieriger ist der Wechsel in eine positive Aktivitätsstufe.

Aktivitätsstufe 1:

Wenn wir wach, also gegenwärtig, achtsam die sinnliche Welt betrachten, „glotzen“ wir nicht mit Null Aktivität die Sinneswelt wie im naiven Gegenstandsbewusstsein an. Wir betrachten sensibel, mit innerer Kraft, was uns vor die Sinne tritt. Wir sehen alles wie zum ersten Mal. Wir nehmen zum Beispiel die Form eines Eichenblatts nicht als Selbstverständlichkeit, sondern lassen uns von den Rundungen überraschen. Die Blattform wird zur einmaligen Geste, die uns etwas über die ganze Eiche sagen will. Wir beginnen zu ahnen, dass die Naturformen Zeichen, Buchstaben im Alphabet der Natur sind. Wir erleben, dass das Bild der Aussenwelt nicht fertig vorliegt und wir es nur passiv aufnehmen müssen. Wir können unsere innere Aktivität als wichtigen Prozess, der nötig ist, damit in unserem Inneren ein Bild entsteht, erkennen. Das Bild, das auf diese Weise entsteht, ist das Endprodukt unseres inneren Prozesses und der Wahrnehmung der Aussenwelt mit unseren Sinnesorganen. Wenn unser innerer Prozess nicht aktiv genug ist, sehen wir die Normbilder in unserem Innenraum und glauben, sie seien von aussen irgendwie nach innen gelangt.[1]

Im Bewusstsein der 1. Aktivitätsstufe sind wir dank unserer inneren Aktivität offener und bemühen uns Vorurteile fernzuhalten. Wir sind nun fähig, uns die Welt als Zusammenwirken von verschiedenen immateriellen Feldern vorzustellen ohne ins alte materialistisch geprägte Denkschema zu verfallen. Wir haben noch viele ungeklärte Fragen, erleben aber an unserer eigenen Aktivität, die nicht materiell ist, dass es Kräfte gibt, die die Einflüsse der Materie zurückdrängen können.

Passivitätsstufe -1:

Auf dieser Stufe betrachten wir ein Eichenblatt kurz und sofort beginnt ein innerer Klassifizierungsprozess: Wir stülpen blitzschnell, ohne ein Bewusstsein davon zu haben, eine gelernte, im Hirn verankerte Vorstellungsstruktur „Eichenblatt“ über das spezielle Blatt, das wir sehen, und haben schon im Inneren ein Normbild eines Eichenblattes vor uns. Das Spezielle des sich vor uns befindenden Blatts ist uns egal. Sobald wir zum automatisch entstandenen Resultat „Eichenblatt“ gekommen sind, sind wir zufrieden und gehen mit unseren Blicken weiter. Wir gehen so mit den Vorurteilen unseres ganzen Wissens durch die Welt, klassifizieren automatisch alles nach den Vergangenheitsstrukturen, die in uns sind und übersehen alles, wofür wir keine Vorstellung haben. Durch unsere innere Zensur beschränken wir die Welt auf unser gelerntes Wissen. Was neu ist, wird nicht erkannt. Wenn wir hören, dass die Formen der Natur Gesten bilden, die uns auf eine tiefere Schicht in der Natur hinweisen wollen, haben wir im besten Fall nur ein Lächeln dafür übrig. Wir merken nicht einmal, dass wir uns aktivieren könnten, um durch unser eigenes Erleben zu prüfen, ob an dieser Behauptung etwas Wahres sein könnte.

Die Analyse der Passivitätsstufen kann man selbstverständlich nur mit dem Bewusstsein der Aktivitätsstufen durchführen.

Mit unseren alten Vorstellungen können wir uns auch die Welt nicht als Zusammenklang von verschiedenen immateriellen Feldern vorstellen, da wir ja auch im Denken nur alte Muster abtasten können, die sich heute normalerweise nur auf materielle Vorgänge und Formen stützen. Auch das Denken läuft vielfach in bekannten Bahnen automatisch ab.

Auf der 1.Stufe bemerken wir, dass der sinnliche Wahrnehmungsprozess ein aktives Aufbauen des inneren Bildes ist. Im Wahrnehmen baut jeder Mensch sein individuelles Bild der Welt in sich auf. Ausserdem erleben wir, wie schwierig es ist, alte Vorstellungsmuster, die sich immer wieder automatisch in unser Bewusstsein drängen, abzuschütteln und etwas neu zu denken oder anzuschauen.


[1] Siehe auch meinen Beitrag auf dieser Site unter Meditationssprüche

Ein Kommentar

  1. Ich bin über einen Satz von Ihnen gestolpert, welcher mich an ein sehr interessantes Buch erinnert, das ich Ihnen empfehlen möchte. Sie sagen, dass die Form der Natur Gesten bildet, die auf eine tiefere Struktur in der Natur hinweisen wollen. Der Anthropologe Jeremy Narby erklärt in seinem Buch die kosmische Schlange seine visionären Erfahrungen bei Schamanen im südamerikanischen Urwald und wird dabei auf genau diesen Fakt hingewiesen, versteht ihn aber zuerst nicht aufgrund von genau den Klassifizierungsprozessen die sie nennen. Das Buch geht grundsätzlich in eine etwas andere Richtung, was die parallelen aber noch interessanter macht.

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